Foto und Montage: Axel Griesch

Akustische und Funktionelle Ökologie

Die Emmy Noether geförderte Forschungsgruppe „Akustische und Funktionelle Ökologie“ untersucht die funktionellen und ökologischen Prinzipien sensorischer Verarbeitung und korrespondierendem Verhalten. Wir untersuchen diese Fragen im Kontext ökologisch relevanter Räuber-Beute-Beziehungen am Beispiel von echoortenden Fledermäusen und hörenden Insekten als Modellsysteme für auditorische Informationsverarbeitung und auditorisch-gesteuertes Verhalten.

Sensorische Prozesse sind die Voraussetzung, damit ein Tier seine Umwelt wahrnehmen und mit dieser Umwelt interagieren kann, einschließlich solcher für das Überleben entscheidender Aktivitäten wie Nahrungssuche und Räubervermeidung. Demensprechend unterlag nicht nur die Morphologie der Tiere der natürlichen Selektion, sondern auch deren Sinnessysteme und Verhalten. Unser übergeordnetes Forschungsziel ist ein funktionelles Verständnis von Sinnessystemen und deren Bedeutung für ökologische und evolutionäre Prozesse. Dazu untersuchen wir Fledermäuse und Nachtfalter als zwei Modellsysteme für komplexe und einfache auditorische Verarbeitung und auditorisch gesteuertes Verhalten. 

Echoortende Fledermäuse nutzen zu großen Teilen auditorische Information zur Orientierung, Nahrungssuche und Kommunikation. Fledermäuse sind daher ein hervorragendes Modellsystem, um auditorische Verarbeitung und die Anpassungen von Sinnessystemen an die ökologischen Anforderungen eines Tieres zu untersuchen. In unserer Arbeit erforschen wir die schall-basierte Wahrnehmung der Umwelt, die Bedeutung von Schallen für inner- und zwischen-artliche Interaktionen, dynamische Aspekte der sensorische Verarbeitung zur Wahrnehmung komplexer und variabler auditorischer Szenen, und die Effekte der Umwelt, einschließlich zum Beispiel des Klimawandels, auf die schall-basierte Wahrnehmung. 

Das Gehör von Nachtfaltern der Gruppe der Noctuoidea ist, im Gegensatz zu dem flexiben Sinnes- und Motorsystem der Fledermäuse, einfach und besteht aus nur 1-4 auditorischen Neuronen, die ein zweistufiges Ausweichverhalten auslösen. Die gut verstandene Neurobiologie des Nachtfalterohres ist eine hervorragende Grundlage, um nun das Ausweichverhalten systematisch zu untersuchen, welches der durch Fledermäuse selektierte Phänotyp ist. Die verschiedenen Nachtfalterfamilien unterscheiden sich in der Zahl der auditorischen Rezeptorzellen und zusätzlicher Anti-Räuber-Strategien, wodurch wir die Funktion und den adaptiven Wert des Ausweichverhaltens und dessen Variabilität (protean behaviour) in einem vergleichenden Ansatz untersuchen können. Insbesondere testen wir biologische Hypothesen bezüglich der Risiko-abhängigen Evolution des erratischen Flugs, des Andauerns des Ausweichflugs ohne sensorische Stimulation, und der phänotypsichen Variabilität als Anpassung an den Räuberdruck. 

Echoortende Fledermäuse und Nachtfalter mit Ohren befinden sich in einem eng verzahnten evolutiönaren Wettrüsten. Diese Räuber-Beute-Beziehung basiert ausschließlich auf akustischer Information und auf auditorisch gesteuertem Verhalten zur Nahrungssuche und Räubervermeidung. Beide Gruppen sind daher ein ideales Modellsystem zur Untersuchung auditorischen Verhaltens an zwei Extremen der sensorischen Verarbeitung. Da beide Gruppen auf funktionaler, ökologischer und evolutionärer Ebene miteinander interagieren, ergibt sich ein vielschichtiges und komplexes System gegenseitiger Beeinflussung und Abhängigkeit. Mit unserer Forschung untersuchen wir die auditorische Verarbeitung und auditorisch gesteuertes Verhalten auf all diesen Ebenen, vom Individuum bis zur Population. 

Die Jahrbuch-Highlights der Max-Planck-Gesellschaft 2018

Die Jahrbuch-Highlights der Max-Planck-Gesellschaft 2018

Gerade erschienen: Unsere Forschung in den Highlights der Forschung des Jahrbuches 2018. Holger Goerlitz’ Bericht über Räuber-Beute-Interaktionen für das Jahrbuch 2018 der Max-Planck-Gesellschaft wurde als einer von 15 Highlights ausgewählt.

Echoortung funktioniert auch in dichten Schwärmen von Fledermäusen

Echoortung funktioniert auch in dichten Schwärmen von Fledermäusen

In unserer neuen Modellierungs-Studie in PNAS zeigen wir, dass echoortende Fledermäuse selbst in dichten Schwärmen noch immer leise Echos hören können, trotz der lauten störenden Rufe ihrer Nachbarn. Die Tiere hören vor allem die Echos ihrer nächsten und vordersten Nachbarn.
Diese räumliche Eingrenzung ist vermutlich vorteilhaft, um diesen Nachbarn während des Ausflugs folgen zu können.

Lichtverschmutzung macht Falter zur leichten Beute

Lichtverschmutzung macht Falter zur leichten Beute

Nächtliches Licht beeinflusst den durch Schall ausgelösten Ausweichflug von Nachtfaltern. Unsere neue Arbeit in Ecology & Evolution legt nahe, dass Lichtverschmutzung beide Typen des Ausweichfluges unterdrückt, wodurch Nachtfalter zur leichteren Beute von Fledermäusen werden.

Mechanismen der Lärmverschmutzung

Mechanismen der Lärmverschmutzung

Trotz zunehmender Lärmverschmutzung verstehen wir zu wenig, wie Lärm die Wahrnehmung beeinflusst. Lärm beeinträchtigt Fledermäuse durch unterschiedliche Mechanismen (masking und distraction), und Fledermäuse sind unterschiedlich gut darin, trotz Lärm Aufgaben zu lösen.

Angepasste Rufe zur optimalen Informationsgewinnung

Angepasste Rufe zur optimalen Informationsgewinnung

Was ist die richtige Information, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen? Fledermäuse passen verschiedene Parameter ihrer Echoortung flexibel und unabhängig an die senso-motorische Schwierigkeiten vier verschiedener Aufgaben an.

„Akustischer Tunnelblick“ für die erfolgreiche Jagd

„Akustischer Tunnelblick“ für die erfolgreiche Jagd

Neuartige Echo- und Bewegungsdaten enthüllen erstmalig den grundlegenden sensorischen Fluss freifliegender Fledermäuse. Die Tiere passen Echoortung und Orientierung so an, um sich auf die Beute zu fokussieren und andere Echos auszublenden: sie erzeugen sich selber einen „akustischen Tunnelblick“ um die auditorische Szenerie zu vereinfachen.

Akustisches Monitoring an Windkraftanlagen ist begrenzt.

Akustisches Monitoring an Windkraftanlagen ist begrenzt.

Viele Tiere sterben an Windkraftanlagen. Die akustische Überwachung von Fledermäusen an Windkraftanlagen soll dieses Grün-Grün-Dilemma mildern. Da die Reichweite der Überwachung aber gering ist, werden Fledermäuse nur in einem sehr kleinen Teil des Risikobereichs erkannt. Weitere Detektoren und Techniken sind nötig, um Biodiversität zu erhalten und grüne Energie zu ermöglichen.

Windenergie und Fledermäuse

Windenergie und Fledermäuse

Wie das akustische Monitoring von Fledermäusen an Windkraftanlagen zum Schutz der Biodiversität verbessert werden kann. Animiertes Video zu unserer neuen Publikation (Voigt et al 2021 Mammal Review).

Kostenausgleich

Kostenausgleich

Durch das „Biologging“ von Echo- und Bewegungsdaten zeigen wir, wie wilde Fledermäuse die Kosten der Schallerzeugung mit der Flussrate sensorischer Information ausbalancieren. Die Fledermäuse priorisieren Energieeffizienz gegenüber dem sensorischen Fluss während sie navigieren und Beute suchen. Während des Angriffs auf Beute jedoch maximieren sie den sensorischen Fluss trotz erhöhter energetischer Kosten. Insgesamt halten sie die energetischen Kosten gering durch die biomechanische Kopplung der Schallerzeugung an den Flügelschlag und kurze Nutzung von hohen sensorischen Flussraten.
 

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